Supraglaziale Seen - Was ist denn das?

Unsere GROCE-Kollegen aus den Teilprojekten 7 und 8 haben kürzlich eine neue Studie im Wissenschaftsmagazin The Cryosphere veröffentlicht: 'The distribution and evolution of supraglacial lakes on 79°N Glacier (north-eastern Greenland) and interannual climatic controls'. Sie beschreiben, wie supraglaziale Seen aus hochauflösenden Bildern des Sentinel-2-Satelliten kartiert werden können. Zudem untersuchen sie mit Hilfe der Daten von Wetterstationen und Klimamodellen unter welchen atmosphärischen Bedingungen sich supraglaziale Seen bilden.

Aber was sind supraglaziale Seen eigentlich? 

Ein Beitrag von Jenny Turton (01. September 2021)

Wie bilden sich supraglaziale Seen?

Supraglaziale Seen sind große Seen aus geschmolzenem Eis auf der Oberfläche von Gletschern oder Eisschilden. Im Sommer sind sie deutlich als große blaue Flächen auf Fotografien des grönländischen Eisschildes zu erkennen (Abbildung 1). Solche supraglazialen Schmelzwasserseen bilden sich im Sommer regelmäßig v.a. in niedrigen Höhenlagen. In den letzten Jahren, insbesondere in warmen Sommern (z.B. in 2016), entstanden jedoch vermehrt auch Seen viel weiter oben auf dem Eisschild. 

Und plötzlich sind die Seen leer!

Was ist nun das besondere an diesen Schmelzwasserseen? Sie können sehr schnell und plötzlich bis an die Unterseite des Eisschildes abfließen! - Das kann man sich vorstellen, wie als wenn jemand den Stöpsel aus einem Waschbecken zieht. Das Schmelzwasser aus den Seen rauscht in die Tiefe und befindet sich plötzlich unterhalb des Eisschildes. Dort sorgt der Wasserfilm dafür, dass das Eis besser über den Fels gleiten kann und es erhöhen sich die Fließgeschwindigkeiten von Eisströmen und Gletschern. Dies führt letztendlich dazu, das immer mehr Eis schneller an die Küsten transportiert wird, wo es abschmilzt und als Frischwasser in den Ozean eingetragen wird. Aber auch unter dem Eisschild bahnt sich das Schmelzwasser den Weg Richtung Ozean. Im Vergleich zum salzigen Ozean ist dieses Schmelzwasser süß (d.h. es hat keine Salzanteile) und verändert somit die Temperaturen und Salzgehalte, wenn es sich mit dem Ozeanwasser vermischt.

Was haben wir untersucht?

Wir haben uns die Anzahl der Seen, ihre Ausdehnung und die Zeit, in der sie entstanden sind, im Detail angeschaut und mit den vorherrschenden atmosphärischen Bedingungen (insbesondere der Lufttemperatur und dem Schneefall) verglichen. Die Sommer 2016 und 2019 waren von sehr warmen und trockenen Bedingungen geprägt, die zu einer hohen Gesamtseenfläche und zur Öffnung von Seen auf 1600 m über dem Meeresspiegel in Nordost-Grönland führten (Abbildung 2a/d). Im Gegensatz dazu gab es im Frühjahr 2018 eine sehr dicke Schneedecke und die Lufttemperaturen waren besonders kühl, wodurch sich weniger Seen gebildet haben und deren Ausdehnung geringer war (Abbildung 2c).

Es gibt einige Hinweise darauf, dass sich die supraglazialen Seen in den letzten Jahren vermehrt in größeren Höhenlagen auf dem Eisschild gebildet haben, welche normalerweise zu kalt für ein Schmelzen an der Oberfläche waren. Globale Klimamodelle sagen vorher, dass supraglaziale Seen auch im Nordosten Grönlands im Zuge des Klimawandels in höheren Lagen vermehrt entstehen werden. Vielleicht sehen wir bereits jetzt die Auswirkungen des globalen und lokalen Temperaturanstiegs in dieser Region.