Eisschild - Gletscher - Ozean


Rund um die Küste Grönlands befinden sich über 200 Gletscher, die eine direkte Verbindung zwischen dem Eisschild und dem Ozean bilden. Das Eis fließt in riesigen Eisströmen vom Landesinneren über die zahlreichen Gletscher ab und trägt damit Frischwasser in den Ozean ein. Andersherum wirken sich Änderungen im Ozean auch auf den Grönländischen Eisschild aus: Erhöhte Wassertemperaturen führen zu verstärktem Abschmelzen zahlreicher Gletscher, welche hunderte Meter tief ins Wasser reichen. Daher trägt der Ozean maßgeblich zum rapiden Rückgang der Gletscher bei - und damit zu einem verstärkten Abfluss des Eises vom Landesinneren in den Ozean ... 

Ein komplexes Problem

Die Wechselwirkungen zwischen Eisschild und Ozean sind bislang bei weitem nicht in ausreichendem Maße verstanden, um zuverlässige Prognosen für den zukünftigen Beitrag der Eisschilde zu Meeresspiegeländerungen machen zu können. Diese Wechselwirkung zwischen grönländischem Eis und dem Nordatlantik bzw. dem Arktischen Ozean erfolgt über eine Vielzahl kleinräumiger peripherer und Auslassgletscher, die direkt im Kontakt mit dem Ozean sind. Jüngste Untersuchungen u.a. im Süden Grönlands legen nahe, dass der wärmerwerdende Nordatlantik über diesen Kontakt eine entscheidende Rolle für die Destabilisierung des Eisschilds spielen könnte. Ein Zusammenhang zwischen ozeanischer Erwärmung und vermehrtem Kalben von Eisbergen wird auch aus Paläostudien an Sedimentkernen unterstützt [30,31].

Nach Angaben des Internationalen Klimarates spielt die Dynamik mariner terminierender Gletscher eine signifikante, unterschätzte Rolle beim Massenverlust [6]. Im April 2016 beschloss der IPCC daher auf seiner 43. Sitzung einen Sonderbericht zum Thema „Ocean and Cryosphere in Climate Change“ zu erstellen. Das gleichzeitige Auftreten des Massenverlustes an den Rändern des grönländischen Eisschildes, die Beschleunigung und der Rückzug der Gletscher und die Erwärmung des Nordatlantiks weisen auf eine Wechselwirkung an der Schnittstelle zwischen Gletscher und Ozean hin. Dieses Zusammenspiel ist bisher wenig erforscht, sodass sich international neue interdisziplinäre Forschungsfelder entwickeln [18,29] (siehe GRISO-Netzwerk).

An der Schnittstelle zwischen Gletscher und Ozean

An der Kalbungsfront und (falls vorhanden) an der schwimmenden Unterseite von marin terminierenden Gletschern liegt warmes Ozeanwasser an. Beobachtungen zeigen, dass die Beschleunigung der Gletscherschmelze in den vergangenen Jahre mit einer Erwärmung des Fjordwassers einherging [20,21]. Erhöhen sich die Wassertemperaturen, so nimmt die Dicke des Gletschereises ab. Zudem ziehen sich die Gletscher immer weiter vom Ozean ins Landesinnere zurück und ihre Fließgeschwindigkeit erhöht sich. Vor allem letzteres hat Auswirkungen auf die Eismassen im Landesinneren, die dann mittels der mächtigen Eisströme beschleunigt Richtung Küste strömen - und entscheidend zum Masseverlust des Grönländischen Eisschildes beitragen. Auch Modellstudien schlagen den Ozean als plausibelsten Treiber der Gletscherveränderungen vor [24], aber die zugrundeliegenden Mechanismen sind bislang unzureichend verstanden. 

Schmelzwasser - wo schmilzt es denn?

Subglaziales Schmelzwasser, also Frischwasser welches unterhalb der Wasseroberfläche in den Ozean eingetragen wird, kann verschiedene Ursprünge haben:

  1. Warme Wassertemperaturen führen zum Schmelzen an der Kalbungsfront und an der Unterseite einer (ggf vorhandenen) Gletscherzunge, die ins Wasser ragt. Dies bezeichnen wir als "basales" oder "submarines" Schmelzen.
  2. Wasser schmilzt an der Eisoberfläche und drainiert durch Gletschermühlen bis an Eisunterseite, wo es in den Ozean eingetragen wird. Dies bezeichnen wir als "supraglaziales" Schmelzes. Mit dem supraglazialen Beitrag kommt auch die Atmosphäre als entscheidender Antrieb mit ins Spiel,der über komplexe multiskalige Prozesse auf die Gletscheroberfläche einwirkt [28].

Unabhängig von seinem Ursprung vermischt sich das subglaziale Schmelzwasser mit dem umgebenden Ozeanwasser und kann wiederum die Stärke der basalen Gletscherschmelze modifizieren [25,26,27]. Derzeit kann nicht quantifiziert werden, welche Anteile des Massenverlustes auf supraglaziales Schmelzen bzw. auf dynamischen Eismassenverlust aufgrund von Gletscherdestabilisierung entfallen [6]. 

Periphere Gletscher

Nicht alle Gletscher an der Küste Grönlands sind mit dem Eisschild verbunden. Diese sogenannten peripheren Gletscher machen zwar nur einen Flächenanteil von etwa 5 % aus, aber auch sie tragen entscheidend zum gesamten Massenverlust des grönländischen Eises bei - während der Periode 2000 bis 2011 machten sie etwa ein Viertel des Masseverlustes aus [20,21]! Auch dieser Massenverlust resultiert vermutlich aus wärmeren Wasser- und Lufttemperaturen. Und somit tragen auch die peripheren Gletscher zusätzlich Frischwasser in den Ozean ein.