Supraglaziale Schmelzwasserseen

Der Oberflächenzustand der Gletscher im Jahresverlauf

Das Klima und dessen Variabilität beeinflussen den grönländischen Eisschild und seine Auslassgletscher maßgeblich. Höhere Lufttemperaturen führen dabei u.a. zu steigenden Schmelzraten und damit zu mehr Schmelzwasser auf der Eisoberfläche. Das Schmelzwasser sammelt sich in topographisch-bedingten Senken und es bilden sich supraglaziale Seen. Die dunklere Oberfläche der Seen verringert die Rückstrahlung (Albedo) des Eises, wodurch sich die Schmelze noch weiter verstärkt.

Das Schmelzwasser kann bis an die Unterseite von Gletschern abfließen. Dort reduziert es die Reibung zwischen dem sich bewegenden Eis und dem darunter liegenden festen Sedimentboden. Dies wiederum führt zu erhöhten Fließgeschwindigkeiten des Eises und kann einen Eismassenverlust hervorrufen, wodurch Frischwasser von Gletschern in den Ozean eingetragen wird. Die Seen dienen daher als Bindeglied zwischen atmosphärischen Prozessen auf der einen, sowie Gletscherfließdynamik und Frischwassereintrag auf der anderen Seite.

In Teilprojekt 7 untersuchen wir die Schmelzwasserseen und ihre Dynamik - zeitlich und räumlich hoch aufgelöst - mittels multispektraler- und radarpolarimetrischer Fernerkundung.

Kontakte: Katrina Bartek und Prof. Dr. Matthias Braun

Welches Hauptziel wurde in der ersten Projektphase verfolgt?

Das Hauptziel von Teilprojekt 7 war die vollautomatische Erfassung supraglazialer Seen, insbesondere um die Ausdehnung von Seen über mehrere Jahre auf dem 79°N-Gletscher und Zachariæ Isstrøm (mittels optischer Satellitendaten) zu verfolgen. Außerdem verfolgten wir das Ziel die Länge der Schmelzperiode und den Zeitpunkt der jährlichen maximalen Ausdehnung der Seen zu bestimmen.

Welche Methoden habt ihr zur Beantwortung eurer Fragestellung angewendet? 

Wir haben Daten der neuen Sentinel-2 Copernicus-Mission (Start 2015) genutzt, um mit Hilfe des Verhältnisses der Rückstrahlung im blauen und roten Spektralbereich sämtliches sichtbare Wasser auf der Gletscheroberfläche zu erfassen. Die so entstandenen Karten wurden um topographische Schatten und Wolken bereinigt und auf die topographisch bedingten Senken zugeschnitten, um so Karten der Schmelzwasserseen automatisch zu extrahieren. Diese Methode wurde auf sämtliche seit Beginn der Mission aufgenommene Satellitenbilder angewandt, um den Zeitverlauf der Seenentwicklung abbilden zu können.

Was waren die Hauptergebnisse?

Wir haben insgesamt 880 Seen oberhalb der Aufsetzlinien vom 79°N-Gletscher und Zachariæ Isstrøm gefunden, welche wir in 479 Zeitschritten über vier Jahre einzeln verfolgt haben. Dadurch konnten wir eine Zeitreihe mit einer zeitlichen Auflösung von 1.5 Tagen und einer räumlichen Auflösung von 10 Metern generieren, was derzeit die dichteste Zeitreihe an supraglazialen Seen weltweit darstellt. Die Ergebnisse wurden kürzlich in einem
Open-access Fachjournal veröffentlicht: Hochreuther et al. (2021).

Welche Fragestellungen werden nun in GROCE-2 bearbeitet?

  1. In GROCE-2 werden wir umfangreiche Zeitreihen optischer Satelliten bezüglich supraglazialer Schmelzwasserseen und möglicher Abflusskanäle auswerten. Hierzu werden bestehende Algorithmen aus GROCE-1 fortgeführt. Zusätzlich werden wir Techniken der künstlichen Intelligenz (Deep Learning) testen, um die Erfassungsgenauigkeit zu erhöhen und die Prozessierung der Daten zu beschleunigen.
  2. Wir werden die bestehende Zeitreihe von Schmelzwasserseen mit neuen Satellitendaten im Projektverlauf aktualisieren. Zudem wollen wir für ein Zeitfenster unsere Detektierung von Schmelzwasserseen auf ganz Grönland ausweiten. In diesem Zusammenhang soll auch eine genaue Wolkenerkennung mittels künstlicher Intelligenz angewandt werden, um ungeeignete Szenen der Satellitenbildern direkt auszuschließen.
  3. Neben der Flächenausdehnung der supraglazialen Seen wollen wir eine Quantifizierung der Seetiefen auf dem nordöstlichen Grönländischen Eisstrom (NEGIS), sowie eine erste hydrologische Bilanzierung vornehmen. Wir möchten hierfür Feldmessungen durchführen und unsere multispektralen Messungen mit Daten von ICESat-2 Satellitenmissionen kombinieren. Auf diese Weise werden wir erste Bewertungen der hydrologischen Gleichgewichte als Input für andere GROCE-Teilprojekte liefern und detektieren, wo das Schmelzwasser in das Eis gelangt.

Das Teilprojekt arbeitet eng mit TP8 (bzgl. der Schmelzwassermengen) und mit TP6 (bzgl. Feldarbeiten) zusammen.